In „Birka III. Die Textilfunde aus den Gräbern” von 1938 beschreibt Agnes Geijer die Posamente aus den Gräbern von Birka. Als Vergleichsfund gibt sie auf Seite 105 unter anderem einen russischen Fund an: „Ein Fund von Bjelvretschenskaja in Kuban (Atchet Archeol. Komm. 1896, Abb. 211), ausgestellt in der Eremitage 1935, enthält zirka dreissig kleine Kreuze ungefähr gleich P 16.” Als Literaturangabe hierzu steht im Verzeichnis am Ende: „Atchet Imp. Archeologicheskaja Kommissija. St. Petersburg 1896 (1898)”.
Das verborgene Internet
Bei der Suche nach Informationen zu diesem Fund ist die Sprachbarriere das größte Problem. Der russische Teil des Internets ist riesig und für mich und alle nicht russisch sprechenden Menschen verborgen. Eine direkte Suche mit den Daten aus Birka III ergibt keine verwertbaren Ergebnisse, was wohl daran liegt, dass in Russland niemand die Begriffe mit lateinischen Buchstaben schreiben wird. Mit Hilfe der Frau eines Arbeitskollegen, die russisch spricht, konnte ich nun das Rätsel nun lösen und Erkenntnisse zum russischen Posamentfund erlangen.
Die Originalberichte
Bei der Atchet Imp. Archeologicheskaja Kommissija. St. Petersburg (in russisch: Отчет императорской археолонической комиссии. Санкт-Петербург) handelt es sich um die Berichte der russischen Komission für Archäologie, die von 1859 bis 1919 existierte. Die Berichte sind im Onlinearchiv der Bibliotheca Chersonessitana verfügbar: Reports of the Imperial Archaeological Commission. Dabei ist auch der Bericht über das Jahr 1896, der 1898 erschienen ist. Das Inhaltsverzeichnis gibt es auf englisch, der Originalbericht ist als freier Download im djvu-Format* verfügbar (ca. 70 MB).
Die Posamente
Auf Seite 40 des Berichts ist die gesuchte Abbildung: 35 Posamente, die meisten davon große Kreuze wie P16c aus Birka Grab 524. Mit dabei sind aber auch quadratische Posamente in gleicher Flechtweise, die ich bisher noch nirgends anders gesehen habe. In Birka kommen diese Quadrate nicht vor. Leider ist die Qualität des Scans eher schlecht, es lassen sich keine Details ausmachen. Im Text sind keine Größenangaben gemacht, anhand der Abbildung, die im Original in halber Größe gedruckt ist schätze ich die Kreuze auf eine ähnliche Größe wie die aus Birka. Leider geht aus dem Text auch nicht hervor aus welchem Material die Posamente geflochten sind.
Die Fundumstände
Die Posamente stammen aus dem Grabhügel Nummer 12 von insgesamt 35 Hügeln in der Nähe des heutigen Beloretschensk im südlichen Russland (ca. 130 km nördlich von Sotschi). Die Hügel sind auf das 14. bis 15. Jahrhundert datiert. Der Bericht beschreibt die Gräber der Hügel ausführlich, die Bauart, die Ausrichtung der Toten, die Bekleidung und die einzelnen Grabbeigaben.
Im Hügel Nummer 12 wurde eine wohlhabende Frau bestattet. Zu ihren Füßen lag eine hölzerne Kiste, in der an Resten einer Handarbeit (Nadelarbeit?) die Posamente gefunden wurden. Zur Beschaffenheit des Stoffes gibt es leider keine Angaben. Im Grab wurden Münzen gefunden, die aus der Zeit des Chans Send-Achmed (1402 -1409) stammen.
Vergleich mit Birka
Die russischen Posamente sind gut 500 Jahre jünger als die Posamente von Birka, daher kann man zwischen den beiden Funden wohl keine direkte Verbindung herstellen. Das Posamentquadrat als neuer Posamenttyp kann damit auch nicht für die Wikingerdarstellung verwendet werden, trotzdem habe ich es in den Katalog von Birkaposamente aufgenommen und es kann bei mir bestellt werden.
* Online-Converter von djvu nach PDF zum Beispiel unter http://www.djvu-pdf.com oder http://convertonlinefree.com/DJVUToPDFEN.aspx.